Schmetterling des Jahres 2025 ist die Spanische Flagge (Euplagia quadripunctaria). Die BUND NRW Naturschutzstiftung und die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e.V. (www.melanargia.de) haben den Nachtfalter gemeinsam gewählt.
Die Spanische Flagge breitet sich seit einigen Jahren immer weiter nach Norden aus. Das haben Bürger*innen über online-Plattformen dokumentiert. Über Webseiten wie Observation.org und Apps wie ObsIdentify können Naturbegeisterte ihre Beobachtungen schnell per Handyfoto festhalten und liefern so viele Millionen wichtige wissenschaftliche Daten.
Mit Hilfe der Bevölkerung ergibt sich so eine deutlich verbesserte Datenbasis, und auch das Bewusstsein für die lokale Artenvielfalt wird über Citizen Science gefördert.
Der Nachtfalter Spanische Flagge ist während seiner Hauptflugzeit im August auch tagsüber aktiv. Seine Flügel sind schwarz-weiß gemustert, wodurch er leicht zu bestimmen ist. Dennoch ist die Spanische Flagge zwischen Zweigen und Stängeln schwer zu entdecken. Sobald sie auffliegt oder ihre Vorderflügel öffnet, werden die leuchtend orangeroten Hinterflügel sichtbar. Diese Warnfärbung schützt den Schmetterling vor Fressfeinden.
Als Nektarpflanze bevorzugt die Spanische Flagge den Gewöhnlichen Wasserdost. Sie findet aber auch an vielen anderen Blüten Nahrung. Mit einer Flügelspannweite von etwa fünf Zentimetern gehört sie zu den größeren Nachtfaltern Europas.
Die Spanische Flagge lebt vor allem in strukturreichen Landschaften mit Hecken, Waldrändern und blütenreichen Wiesen, die durch Flächenverbrauch und intensive Landwirtschaft bedroht sind. Die Schmetterlinge kommen auch in naturnahen Gärten vor.
Durch die höheren Temperaturen aufgrund der Klimakrise breiten sich viele wärmeliebende Schmetterlingsarten nach Norden und in höhere Lagen aus. Die Spanische Flagge verbreitet sich besonders schnell. Andere Arten gehen entsprechend zurück.
Seit 2003 machen die BUND NRW Naturschutzstiftung und die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen mit der Kür des Schmetterlings des Jahres auf die Bedeutung und Bedrohung der Arten aufmerksam.
Bitte klicken Sie auf das jeweilige Bild, um eine Großansicht bzw. eine druckfähige Datei zu erhalten! Die Fotos dürfen bei Nennung des Bildautors für Pressezwecke kostenlos verwendet werden.
Spanische Flagge auf Observation.org mit Verbreitungskarte und weiteren Informationen: https://de.observation.org/species/1766/
Schwarz-weiß gemustert mit rotem „Unterkleid“
Wenn man den Falter sieht, fällt zuerst die schwarze Grundfarbe mit weißen Zeichnungselementen auf, vor allem den drei großen weißen Streifen, einer vorn und zwei weiter hinten, die je nach Individuum ein V bis Y bilden. Mit diesem Muster ist er im Geäst oder Gewirr von Stängeln hoher Stauden gerade bei Sonnenlicht gut getarnt. Wenn er allerdings auffliegt oder die Vorderflügel spreizt, sieht man die orange-roten, selten auch gelben Hinterflügel mit schwarzen Flecken. Auch der Leib ist rot-orange mit schwarzen Flecken. Die rote Farbe dient der Warnung, denn Fressfeinde wie Vögel schrecken einen Augenblick zurück und geben dem Falter damit genug Zeit zur Flucht. Das kann für den Vogel auch von Vorteil sein, denn wie viele Bärenspinnerarten enthält die Körperflüssigkeit des Falters Giftstoffe. Mit gut fünf Zentimetern Spannweite gehört der Falter zu den größeren Nachtfaltern.
Wasserdost ist die Lieblingspflanze zum Nektarsaugen
Dieser Nachtfalter ist nicht nur nachts unterwegs, sondern auch tagaktiv! Im August, zu seiner Hauptflugzeit, kann man ihn im Sonnenschein an Rändern von Waldwegen, an Säumen von Wäldern oder Gebüschen, am Ufer von Bächen und Gräben oder in ehemaligen Steinbrüchen sehen, wenn er an seiner Lieblingspflanze, dem Gewöhnlichen Wasserdost Eupatorium cannabinum Nektar saugt. Denn dieser Bärenspinner hat, anders als etliche seiner Verwandten, einen gut entwickelten Saugrüssel. Den Gewöhnlichen Wasserdost als auffällige und bis mannshoch wachsende Staude ist nicht zu übersehen. Es lohnt sich, an den Blüten nach dem Falter zu schauen – wenn man ihn nicht schon umherfliegen sieht und vielleicht zunächst an einen Tagfalter denkt. Er ist jedoch nicht auf den Wasserdost beschränkt – er nutzt auch viele andere Blütenpflanzen und kommt gerne in Gärten mit entsprechendem Angebot.
Rasante Ausbreitung nach Norden
Beobachten kann man den schönen Falter immer häufiger, und er breitet sich in Deutschland aus. Galt Euplagia quadripunctaria früher als (teils seltener und gefährdeter) Bewohner der Wärmegebiete vor allem Süddeutschlands mit weiteren Vorkommen in Ostwestfalen/Nordhessen und Sachsen, kommt er inzwischen auch in höheren Lagen und weiter nördlich vor. Die derzeitige nördliche Verbreitungsgrenze, grob vom Niederrhein über den Harz bis Berlin, verschiebt sich weiter.
Die Verbreitung konnte durch das Engagement zahlreicher Bürgerwissenschaftler*innen exakt dokumentiert werden. Digitale Werkzeuge wie die Plattform Observation.org und die App ObsIdentify ermöglichen es Naturbegeisterten, Funde schnell per Handyfoto zu bestimmen und so wichtige wissenschaftliche Daten bereitzustellen.
In den Nachbarländern sieht es ähnlich aus. Die Niederlande weisen Funde bis in die Höhe von Amsterdam auf. In England, wo der "Jersey Tiger" bis vor wenigen Jahren auf die Kanalinseln und Teile der Südküste beschränkt war, ist der Süden gut besiedelt und Mittelengland erreicht.
Generell reicht das Verbreitungsgebiet von Spanien über Süd- und Mitteleuropa, ostwärts bis an den Ural und im Südosten über Kleinasien bis in den Iran.
Der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung
Warum expandiert Euplagia quadripunctaria in Mitteleuropa so stark? Haupttreiber ist sicherlich die globale Erwärmung.
Die global steigenden Temperaturen befähigen etliche wärmeliebende Falterarten dazu, ihr Areal nach Norden und in die Höhe zu erweitern. Euplagia quadripunctaria ist dabei ein besonders eindrucksvolles Beispiel – das Auftauchen des großen Falters fällt auf, er ist leicht zu bestimmen, die Ausbreitung geschieht schnell. Das ist „Klimawandel zum Anfassen“. Dass zugleich viele Arten abnehmen oder gar verschwinden, ist schleichend und geschieht im Verborgenen.
Die Ausbreitung von Euplagia quadripunctaria wird zudem dadurch erleichtert, dass der Wasserdost, seine Haupt-Nektarpflanze, in Deutschland weit verbreitet ist. Der Wasserdost ist zwar eine feuchtigkeitsliebende Pflanze, doch an seinen Standorten im Halbschatten etwa an Bachufern oder Waldwegen hat er auch in trockenen Jahren gute Chancen. Er mag auch eine gewisse Wärme. Als ausgesprochener Stickstoffzeiger profitiert er von der zunehmenden Überdüngung der Landschaft, die sich sonst zumeist schädlich auswirkt.
An Waldwegen, Bachufern usw. ist der Falter außerdem Insektiziden, Fungiziden und Herbiziden aller Art weit weniger ausgesetzt als Arten, die im Offenland gleich neben stark behandelten landwirtschaftlichen Flächen unterwegs sind.
Negative Einflüsse durch nächtliche Dauerbeleuchtung
Diese positiven Faktoren überwiegen noch und ermöglichen Euplagia quadripunctaria diese rasante Arealerweiterung. Dabei setzen jedoch andere Faktoren der Art zu. Stichworte sind die zunehmend monotone Agrarlandschaft und der Wegfall von Hecken und Strukturen im Offenland.
Die Falter sind nicht nur tagaktiv, sondern fliegen in der Dämmerung und Dunkelheit und werden dabei auch von Licht angezogen, mit all den bekannten negativen Auswirkungen: sie kreisen um die Lichtquelle, bis sie so ermüdet sind, dass sie keinen sicheren Platz für eine Tagesruhe mehr aufsuchen können. Am Licht bauen Spinnen gern ihre Netze. Für Fledermäuse ist eine Straßenlaterne quasi ein Buffet, das sie gern fangend und fressend umkreisen. Vögel suchen bei Tagesanbruch nach leichter Beute, die dort sitzen geblieben ist. Und nicht nur die Falter kommen zum Licht – auch die Raupen werden davon angezogen und krabbeln darauf zu.
Die Gefahr, weggemäht zu werden
Die jungen Raupen überwintern. Im Frühjahr findet man dann die erwachsenen, bunten Raupen: Die Grundfarbe ist schwarz mit Seitenlinien aus weißen Punkten, einer Rückenlinie aus gelben Punkten und vielen orangebraunen Warzen mit den Büscheln heller Haare. Alle Bärenspinnerraupen haben solche typische Behaarung, weshalb sie "Bären" heißen.
Die Falterweibchen legen die runden, perlweißen Eier in lockeren Grüppchen an den Futterpflanzen der Raupen ab. Da kommt eine lange Liste von Kräutern in Frage, zum Beispiel Taubnesseln, Fuchssches Greiskraut oder Wasserdost, doch auch niedrige Büsche wie Himbeeren oder Hasel. Die Räupchen schlüpfen noch im Herbst, werden jedoch nur selten beobachtet, weil sie so klein und im dichten Bewuchs nur schwer zu entdecken sind. Die kleinen Räupchen müssen den Winter überstehen und sich dann im Frühjahr rund und satt fressen, bis sie sich nach mehreren Häutungen in einem Gespinst am Boden verpuppen, um dann nach einer Puppenruhe von rund einem Monat ab Juli zu schlüpfen. Im September geht die Flugzeit zu Ende. Es gibt pro Jahr eine Falter-Generation.
Die Raupen sind vielen Gefahren ausgesetzt – eine Mahd mit dem Aufsitzmäher, und die Raupen sind zerkleinert. Natürlich müssen Weg- und Straßenränder gemäht werden, auch Hochstaudenfluren, damit sie nicht verbuschen und zu Wald werden. Jedoch ist es sinnvoll, nie alle Abschnitte eines Weges zugleich und vor allem nicht zu tief zu mähen. Wenn unten ein paar Zentimeter stehen bleiben, wären viele Tiere gerettet. Balkenmäher schonen die Vegetation und die Tiere darin, während die heute üblichen Schlegelmulcher alles zerhäckseln, was ihnen in den Weg kommt.
Als FFH-Art besonders geschützt
Ein Falter in Ausbreitung hat aktuell natürlich keine Gefährdungskategorie auf der Roten Liste von Deutschland (Stand 2011), auch wenn als langfristiger Bestandstrend ein mäßiger Rückgang ausgewiesen wird. In Deutschland ist der Falter gesetzlich wie alle Bärenspinner besonders geschützt, und Deutschland hat eine allgemeine Verantwortung für die Erhaltung der Art. Denn Euplagia quadripunctaria ist eine FFH-Art, also eine nach Anhang II der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie der EU eine besonders geschützte prioritäre Art, für die Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen und für deren Erhalt die EU eine besondere Verantwortung hat. Der Status als FFH-Art ist zwar umstritten, da wohl ursprünglich nur eine griechische Unterart auf diese FFH-Liste sollte, doch sind die Schmetterlingskundler nicht traurig darüber, diese Art beobachten und schützen zu müssen.
In Griechenland auf der Insel Rhodos gilt die Art übrigens als Touristenattraktion. Dort im „Schmetterlingstal“ sind die Falter in sehr großer Zahl bei der Übersommerung anzutreffen. Sie sollen von den dortigen Amberbäumen in Bachnähe angelockt werden. Doch so weit braucht niemand mehr zu fahren, um diese Falter, auch in mehreren Exemplaren, zu sehen. Für die meisten hierzulande reicht eine Wochenendwanderung im August (nun ja, zumindest für die, die in der Südhälfte des Landes wohnen). Viel Vergnügen dabei! Wenn Sie sich selbst als Citizen Scientist betätigen und eigene Beobachtungen melden wollen, stehen Ihnen die einschlägigen Meldeportale zur Verfügung!
Internetquellen:
Artseite im Lepiforum: https://lepiforum.org/wiki/page/Euplagia_quadripunctaria
Verbreitungskarte in Observation.org: https://tinyurl.com/3k2t5rdm
Verbreitungskarten kann man außerdem hier abrufen:
- Melanargia-Portal (NRW und RLP): https://portal.melanargia.de/Lepi/EvidenceMap.aspx?Id=447054
- Deutschlandportal: https://www.lepidoptera.de/Lepi/EvidenceMap.aspx?Id=447054
- Portal für Berlin und Brandenburg: https://www.schmetterlinge-brandenburg-berlin.de/index.php/arten-verbreitung?view=form
Literaturquellen:
Bellmann, H. (2003): Der neue Kosmos-Schmetterlingsführer. Schmetterlinge, Raupen und Futterpflanzen. Franckh-Kosmos-Verlag, Stuttgart
Ebert, G. (Hrsg.) (1997): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs, Band 5: Nachtfalter III – Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart
Steiner, A., Ratzel, U., Top-Jensen, M. & Fibiger, M. (2014): Die Nachtfalter Deutschlands. Ein Feldführer. – Østermarie (Bugbook Publishing)
Porthuis, L., Beckerbauer, S., Dahl, A. & J. O. Kriegs (2024): Die Spanische Flagge Euplagia quadripunctaria (Poda, 1761): Verlauf der Ausbreitung einer wärmeliebenden Art in Deutschland mit besonderem Fokus auf Nordrhein-Westfalen. – Abhandlungen aus dem Westfälischen Museum für Naturkunde, Band 106, 197-205
Elger, R. (1969): Freilandstudien zur Biologie und Ökologie von Panaxia quadripunctaria (Lepidoptera, Arctiidae) auf der Insel Rhodos. Oecologia 2, 162–197. doi.org/10.1007/BF00379158